Ungarn
Das ungarische Erbrecht erhielt im Jahr 2013 seine heutige Form.
Gesetzliche Erbfolge
Ist keine letztwillige Verfügung vorhanden, ist die gesetzliche Erbfolge maßgebend. Sin keine Erben vorhanden, so geht der Nachlass auf den ungarischen Staat über. Der Fiskus ist notwendiger Erbe, er darf die Erbschaft nicht ausschlagen. Die Regeln der gesetzlichen Erbfolge kennen zwei unterschiedliche Regimes der Erbfolge: die allgemeinen Vorschriften der gesetzlichen Erbfolge und die sog Rückfallerbfolge, eine Art Sondererfolge.
Gesetzliches Erbrecht der Abkömmlinge
Primär sind die Kinder des Erblassers zur Erbfolge berufen, und zwar untereinander zu gleichen Teilen. Das ungarische Recht kennt das Repräsentationsprinzip. Die Erbberechtigung der Abkömmlinge als gesetzliche Erben kommt der Erbberechtigung aller anderen Erben zuvor.
Gesetzliche Erbberechtigung des Ehegatten
Das Ehegattenerbrecht richtet sich danach, wen neben dem überlebenden Ehegatten zur gesetzlichen Erbfolge berufen ist. Sind keine Abkömmlinge vorhanden und sind die Eltern des Erblassers vorverstorben, erbt der Ehegatte nah der allgemeinen Erbfolge und wird Alleinerbe.
Neben den Abkömmlingen stehen dem Ehegatten folgende Rechte zu:
- Berechtigung zum Nießbrauch an der mit dem Erblasser gemeinsam bewohnten Wohnung und den zugehörigen Einrichtungsgegenständen bis zum Tode
- Sofern er neben dem Abkömmling zur Erbfolge berufen ist, steht ihm au0erdem ein Kindesteil aus dem übrigen Teil des Nachlasses zu
Leben die Eltern des Erblassers und sind keine Abkömmlinge vorhanden, erbt der Ehegatte des Erblassers die mit dem Erblasser gemeinsam bewohnte Wohnung und die zugehörigen Einrichtungsgegenstände; er erbt außerdem die Hälfte des übrigen Nachlasses. Die andere Hälfte erben die Eltern zu gleichen Teilen.
Im Falle einer Rückfallerbfolge steht dem überlebenden Ehegatten ein Nießbrauch an dem der Rückfallerbfolge unterliegenden Vermögen zu.
Der Ehegatte ist zur Erbfolge nicht berechtigt, wenn beim Erbfall die Lebensgemeinschaft zwischen den Ehegatten nicht mehr bestand und aus den Umständen des Falles offensichtlich war, dass es keine Aussicht zu deren Widerherstellung gab.
Gesetzliche Erbfolge der Eltern und weiteren Verwandten
Ohne Abkömmlinge und Ehegatten erben die Eltern des Erblassers zu gleichen Teilen untereinander. Anstelle der weggefallenen Eltern erben deren Abkömmlinge in gleicher Weise. Ist ein Elternteil ohne weiteren Abkömmling vor dem Erblasser verstoreben, werden der andere Elternteil bzw dessen Abkömmlinge die alleinigen Erben.
Ohne Verwandte im Elternstamm sind die Großeltern des Erblassers zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Anstelle des weggefallenen Großelternteils erben dessen Abkömmlinge bzw der andere Großelternteil ebenso wie der andere Elternteil im Elternstamm. Fällt ein Großelternpaar ohne Abkömmlinge weg, erbt das andere Großelternpaar bzw dessen Abkömmlinge.
Der Urgroßelternstamm ist zur gesetzlichen Erbfolge berufen, wenn keine Großeltern bzw deren Abkömmlinge vorhanden sind.
Hat der Erblasser keine Verwandten im Eltern-, Großeltern- oder Urgroßelternstamm hinterlassen, so sind seine Verwandten der aufsteigenden Linie zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Diese Verwandten erben zu gleichen Teilen – ohne Rücksicht auf den Verwandtschaftsgrad zum Erblasser. Es handelt sich um einen „unvollständigen Stamm“; das Repräsentationsprinzip findet in diesem Stamm keine Anwendung.
Besondere Regeln der gesetzlichen Erbfolge (Rückfallerbfolge)
Die Rückfallerbquote beruht auf dem Grundsatz, dass das von dem Geschlecht stammende Vermögen auf die Familie zurückfällt, von der es stammt und nicht bei einer „fremden“, dh beim Ehegatten, bleibt. Dem Erblasser steht es frei, von der Rückfallerbfolge mit letztwilliger Verfügung abzuweichen.
Die Rückfallerbfolge tritt daher nur ein, wenn der Erblasser ohne letztwillige Verfügung und ohne Abkömmlinge verstorben ist. Diesfalls sind im Nachlassvermögen die von der Familie des Erblassers stammenden Vermögensgegenstände (Rückfallvermögen) und das sog Zugewinnvermögen des Erblassers voneinander zu trennen. Für das Zugewinnvermögen gelten die allgemeinen Vorschriften, für das Rückfallvermögen gilt eine Sondererbfolge.
Als von der Familie stammend wird zB das Vermögen, dass der Erblasser von einem Vorfahren unentgeltlich, dh durch Erbfolge oder Schenkung zugekommen ist, angesehen. Gewöhnliche Geschenke sind aber dem Kreis der Rückfallerbfolge gesetzlich entzogen.
Die Rückfallerben sind in erster Linie die Eltern des Erblassers. Sind die Eltern verstorben, sind ihre Abkömmlinge zur Rückfallerbfolge berufen; mangels solcher die Großeltern bzw die weiteren Vorfahren des Erblassers. Den Abkömmlingen der Großeltern des Erblassers steht kein Rückfallserbrecht zu.
Der überlebende Ehegatte des Erblassers erbt auch den Nießbrauch am Vermögen, das der Rückfallerbfolge unterliegt. Wird der Nießbrauch abgelöst, steht dem überlebenden Ehegatten ein Drittel des Vermögens vom Rückfallvermögen zu.
Erbrecht des Lebensgefährten
Zwischen den nichtehelichen Lebenspartnern besteht für die Dauer des Zusammenlebens ein gesetzlicher Güterstand, dessen Regeln der Zugewinngemeinschaft nahestehen. Die Lebenspartner bleiben selbstständige Vermögenserwerber; nach Beendigung der Lebensgemeinschaft kann doch jeder von ihnen den Ausgleich des Zugewinns beanspruchen. Eine davon abweichende vertragliche Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse ist zulässig. Die nichteheliche Lebensbeziehung entfaltet weitere familienrechtliche Rechtswirkungen, so insb die Unterhaltspflicht.
Die Lebensgemeinschaft hat aber keinen Einfluss auf die Erbfolge; der Lebenspartner ist kein gesetzlicher Erbe. Er kann seine vermögensrechtlichen Ansprüche aus dem Güterstand gegenüber den Erben im Nachlassverfahren nur durchsetzen, wenn die Erben diese Ansprüche anerkennen; in allen anderen Fällen kann der Anspruch nur im gerichtlichen Wege geltend gemacht werden.
Anrechnung von Schenkungen zu Lebzeiten („Ausgleichung“)
Die Ausgleichung beruht auf dem Gedanken, dass der Erblasser ein Testament errichtet hätte, wenn er nicht gewollt hätte, dass seine Abkömmlinge zu gleichen Teilen beteiligt werden. Eine Ausgleichung soll erfolgen, wenn die Abkömmlinge des Erblassers von ihm noch zu dessen Lebzeiten unentgeltliche Zuwendungen in unterschiedlicher Höhe erhalten haben.
Ausgleichungspflicht bedeutet, dass im Erbfall die einzelnen Abkömmlinge des Erblassers den Wert der von ihm unentgeltlich erhaltenen lebzeitigen Zuwendungen vom dem Nachlasswert zuzurechnen haben. De so ergänzte Nachlasswert wird nach den Erbteilen verteilt. Sofern eine Zuwendung den Wert des Erbteils erreicht oder übersteigt, wird sein Anspruch auf Beteiligung am Nachlass als befriedigt betrachtet.
Die Ausgleichung ist in erster Linie bei der gesetzlichen Erbfolge zulässig. Sie wird ferner in dem Falle angewendet, wenn mehrere Abkömmlinge gemeinsam aufgrund eines Testaments je einen Anteil erben, der ihren jeweiligen gesetzlichen Erbteilen entspricht.
Auszugleichen sind nur diejenigen Zuwendungen, die der Abkömmling vom Erblasser mit der Bedingung der Ausgleichungspflicht erhalten hat; gewöhnliche Geschenke und der Unterhalt sind gesetzlich von der Ausgleichung befreit, selbst gegen den Willen des Erblassers.
Es ist grds von dem Wert zur Zeit der Zuwendung auszugehen. Sofern dies schwer unbillig wäre, kann das Gericht aber einen anderen Wert bewilligen.
Formvorschriften Testament
Im ungarischen Recht herrscht Testierfreiheit; der Erblasser kann daher, abgesehen von den Beschränkungen des Pflichtteils, letztwillig verfügen. Die Testierfreiheit beginnt offiziell mit dem 18. Lebensjahr. Ab dem vollendeten 14. Lebensjahr kann jedoch der Minderjährige in der Form eines öffentlichen Testaments letztwillig verfügen. Die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments ist zulässig.
Er gibt folgende Testamentsformen:
Öffentliches Testament
Das öffentliche Testament kann nur vor einem Notar errichtet werden. Das öffentliche Testament wird als öffentliche Urkunde angesehen, dh, die darin festgehaltenen Tatsachen sind bis zum Gegenbeweis als wahr anzunehmen.
Beschränkt geschäftsfähige Minderjährige, teilweise beschränkt geschäftsfähige Volljährige, Blinde und Analphabeten können nur in Form eines öffentlichen Testaments testieren.
Die Urschrift des öffentlichen Testaments bleibt beim Notar. Er hat die Tatsache der Errichtung des Testaments und den Verwahrungsort in das von der Ungarischen Landesnotariatskammer geführte Landesregister der Testamente einzutragen. Der für die Nachlassabhandlung zuständige Notar ist zur Registerabfrage verpflichtet, weshalb das öffentliche Testament nicht verschwinden oder vergessen werden kann.
Allographes Privattestament
Als allgemeine Vorschrift für alle Privattestamente sieht das ungarische Recht vor, dass diese ausschließlich in einer Sprache errichtet werden kann, die der Testator versteht und in der er im Falle eines eigenhändigen Testaments schreiben kann oder die er im Falle eines von einem anderen niedergeschriebenen Testaments lesen kann.
Die häufigste Form der Privattestamente ist das – dem österreichischen Recht nicht bekannte – allographen Privattestament, das vom Erblasser nicht eigenhändig geschrieben wird. Es kann nicht als eigenhändig angesehen werden, wenn es zwar vom Testator selbst, aber mit der Maschine geschrieben wurde. Das stenographisch oder mit einer von der gewöhnlichen Schrift abweichenden sonstigen Zeichen- oder Ziffernschrift errichtete Privattestament ist ungültig.
Die Errichtung des allographen Privattestaments kann in zweierlei Weise erfolgen:
- Durch die Beiziehung von Zeugen oder
- Durch die Hinterlegung beim Notar.
Für die Errichtung sind folgende Formvorschriften einzuhalten:
- Die Eigenschaft der Urkunde als Testament soll sich aus der Urkunde selbst ergeben
- Das Errichtungsdatum soll angegeben werden
- Der Testator hat das Testament bei gleichzeitiger Anwesenheit von zwei Zeugen eigenhändig zu unterschreiben oder – wenn er das Testament bereits unterschrieben hat – die Unterschrift bei gleichzeitiger Anwesenheit zweier Zeugen als seine eigene Unterschrift anzuerkennen. Die Zeugen haben das Testament mit Bezeichnung ihrer Zeugeneigenschaft zu unterschreiben.
- Im Fall des beim Notar hinterlegten Testaments ist die Beiziehung von Zeugen nicht erforderlich.
Nach dem ungarischen Recht sind für aus mehreren Einzelblättern bestehenden Privattestamente strenge Formvorschriften zu beachten. Ein solches Privattestament ist nur dann formgültig, wenn jedes Blatt mit einer fortlaufenden Nummerierung und der Unterschrift des Testators und – sofern die Gültigkeit des Testaments Zeugen bedarf – mit der Unterschrift der beiden Zeugen – versehen ist.
Die Bezeichnung des Errichtungsortes ist nach neuer Rechtslage nicht mehr erforderlich.
Der Erblasser hat das Testament eigenhändig zu unterschreibe. Die Unterschrift muss nicht unbedingt an der gewöhnlichen Stelle, jedoch vom Text getrennt, erscheinen. Das Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung wird nicht dadurch erfüllt, dass der eigenhändig geschriebene Name des Erblassers irgendwo im Text erscheint.
Zuwendungen an Zeugen oder an eine bei der Errichtung mitwirkende Person sind grds ungültig. Der Zeuge muss keine Kenntnis vom Inhalt des Testaments haben.
Zeuge des schriftlichen Privattestaments dürfen nicht sein:
- Personen, die nicht fähig sind, die Identität des Testators zu bescheinigen
- Minderjährige, geschäftsunfähige Volljährige oder teileweise beschränkt Geschäftsfähige
- Schreibunkundige Personen
Holographisches Privattestament
Das holographische Privattestament wird vom Erblasser vom Anfang bis zum Ende eigenhändig geschrieben. Dieses Testament bedarf keiner Zuziehung von Zeugen. Abgesehen davon sind die übrigen Formvorschriften des allographen Privattestaments sinngemäß anwendbar.
Beim Notar hinterlegtes Testament
Das allographe Testament ist auch ohne Mitwirkung von Zeugen als gültig anzusehen, wenn es vom Testator bei einem Notar hinterlegt wurde. Diese Begünstigung steht dem Testament jedoch nur solange zu, wie es beim Notar verbleibt. Durch die Rücknahme des Testaments aus der notariellen Verwahrung durch den Testator verliert es seine Wirksamkeit.
Mündliches Nottestament
Für die mündliche letztwillige Verfügung gelten folgende zwei Voraussetzungen:
- Das Bestehen einer das Leben bedrohenden außerordentlichen Lage und
- Die Unfähigkeit des Testators, das Testament in einer anderen Form zu errichten.
Hat der Erblasser innerhalb von 30 Tagen nach Beendigung der mündlichen Testamentserrichtung zugrunde liegenden Notlage das mündliche Testament schriftlich nicht bestätigt, verliert es von Gesetzes wegen seine Wirksamkeit.
Pflichtteilsrecht
Der Pflichtteil ist im ungarischen Recht eine verbindlich zustehende Mindestbeteiligung am Vermögen des Erblassers. Pflichtteilsberechtigte sind die Abkömmlinge, der Ehegatte und die Eltern des Erblassers, wenn sie beim Erbfall gesetzliche Erben des Erblassers wären.
Der Pflichtteil des Abkömmlings richtet sich immer nach dem gesetzlichen Erbteil und beträgt 1/3 von diesem.
Die Höhe des Pflichtteils der Eltern richtet sich ebenfalls nach dem gesetzlichen Erbteil und beträgt ebenfalls 1/3 von diesem. Bei dem Pflichtteil der Eltern ist jedoch der Vermögensnachteil, der auf ihn nach den allgemeinen Vorschriften der gesetzlichen Erbfolge übergeht von dem, den er als Rückfallerbe erwirbt, getrennt zu berücksichtigen. Ist kein Ehegatte vorhanden, wird das Rückfallvermögen von dem Elternteil geerbt, von dessen Stamm dieses Vermögen auf den Erblasser übergegangen ist. Das sonstige Nachlassvermögen des Erblassers wird zwischen den Ehegatten geteilt. Die Berechnung des Pflichtteils hat somit zwei unterschiedliche Grundlagen, nämlich je 1/3 des gesetzlichen Erbteils hinsichtlich der beiden Vermögensmassen.
Der Pflichtteil des Ehegatten richtet sich nach seinem gesetzlichen Erbteil, je nachdem, ob er einen Nießbrauch oder Eigentum erwerben würde (also ob er neben oder ohne Abkömmlinge erbt). Der dem Ehegatten in Form des Nießbrauchs zustehende Pflichtteil ist ein beschränkter Nießbrauch, der ihm seine Bedürfnisse mit Rücksicht auf die von ihm geerbten Vermögensgegenstände sichert. Hinsichtlich des Vermögens, an dem der überlebende Ehegatte im Falle der gesetzlichen Erbfolge das Eigentum erwerben würde, ist die Höhe seines Pflichtteils 1/3.
Berechnung des Pflichtteils, Anrechnung von Schenkungen
Dem Pflichtteil liegt der reine Wert des Nachlasses, also nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten und hinzugerechnet der reine Wert der vom Erblasser unter Lebenden (unabhängig, an wen) getätigten unentgeltlichen Zuwendungen zur Zuwendungszeit, zugrunde. Wäre jedoch die Berücksichtigung des zur Zeit der Zuwendung maßgebenden Werts schwer unbillig, kann das Gericht bewilligen, dass ein anderer bestimmter Wert der Zuwendung berücksichtigt wird.
Zur Befriedigung des Pflichtteils ist nicht nur dasjenige zu berücksichtigen, was dem Berechtigten aus dem Nachlass zusteht, sondern auch jene unentgeltlichen Zuwendungen und Geschenke, die der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten noch zu seinen Lebzeiten gemacht hat, vorausgesetzt, dass diese Zuwendungen dem Nachlasswert zuzurechnen sind. Die Berücksichtigung des der Befriedigung des Pflichtteils dienenden Werts erfolgt durch Anrechnung. Die Anrechnung verhindert, dass solche Berechtigte wiederholt einen Anspruch unter dem Rechtstitel des Pflichtteils geltend machen, die bereits zu Lebzeiten des Erblassers Zuwendungen in Höhe des Pflichtteils erhalten haben. Die unentgeltliche Zuwendung, deren Anrechnung vom Erblasser erlassen wurde, darf der Bemessungsgrundlage des eigenen Pflichtteils des Berechtigten nicht zugerechnet werden, außer der Erlass der Anrechnung verletzt den Pflichtteil eines anderen Pflichtteilsberechtigten.
Pflegevermächtnis
In Ungarn gibt es kein dem österreichischen Pflegevermächtnis vergleichbares Rechtsinstitut.
Verlassenschaftsverfahren
Nach ungarischem Recht erfolgt der Erbfall (vorbehaltlich der Ausschlagung des Erbrechts) ipso iure, also ohne dass eine Annahmeerklärung erforderlich ist. Der Erbe kann durch Ausschlagung den Erwerb der Erbschaft ex tunc rückgängig machen.
Das ungarische Recht kenn ein umfassendes, justizförmiges Nachlassverfahren. Der Zweck liegt darin, den bereits ipso iure erfolgten Rechtserwerb amtlich nachzuweisen. Beim Nachlassverfahren handelt es sich um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit; es gehört in die sachliche Zuständigkeit der Notare. Der Notar ist aber nicht als gerichtlich bestellter Gerichtskommissar tätig. Der Notar selbst übt im Nachlassverfahren die Befugnisse eines Nachlassgerichtes aus; die ungarischen Notare werden als „Gericht“ iSv Art 3 Abs 2 EuErbVO betrachtet. Der Notar ist aber nicht befugt, Streitigkeiten zwischen den Erben mit endgültiger Wirkung zu entscheiden; dies würde über den Rahmen des Nachlassverfahrens hinausgehen und ist nur im Wege der streitigen Gerichtsbarkeit möglich.
In einigen Fällen ist die Einleitung eines Nachlassverfahrens obligatorisch; dies ist dann der Fall, wenn die zuständige Behörde nach dem Gesetz ein Nachlassverzeichnis von Amts wegen aufnehmen muss. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich im Nachlass eine Immobilie im Inland befindet, wenn sich Gesellschafter-Beteiligungen an einer Handelsgesellschaft befinden oder wenn um die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses von einem Erben gebeten wird. Außerdem muss ein Nachlassverzeichnis aufgenommen werden, wenn der Erbe in der Wahrnehmung seiner Erbinteressen gefährdet ist, weil er zB minderjährig ist, sein Aufenthalt unbekannt ist etc, und wenn kein anderer Erbe als der ungarische Staat vorhanden ist.
Das Nachlassverfahren lässt sich in zwei Verfahrensschritte einteilen:
- Im ersten Verfahrensschritt wird das Nachlassverzeichnis aufgenommen, indem die Gemeindeverwaltung den Nachlass ermittelt.
- In zweiten Verfahrensabschnitt führt der Notar die Verhandlung durch; uU kann das Nachlassverfahren ohne Verhandlung abgewickelt werden; gegen den Beschluss des Notars ist eine Berufung an das zuständige Gericht zweiter Instanz möglich
Das Nachlassverfahren beginnt mit dem Tod des Erblassers, sofern dieser in Ungarn verstorben ist. Der Leichenbeschauer ist verpflichtet, den Todesfall dem zuständigen Gemeindedirektor durch Ausfertigung des Leichenschaubescheins zu melden. Der Todesfall kann dem Gemeindedirektor (oder dem Notar) auch von einer Person gemeldet werden, die ein rechtliches Interesse an der Einleitung des Nachlassverfahrens hat. Der Anmeldende hat den Todesfall mit der Sterbeurkunde nachzuweisen und sein rechtliches Interesse glaubhaft zu machen.
Das Verfahren bei der Gemeindeverwaltung (1. Verfahrensabschnitt)
Das Nachlassverfahren kann auch beim zuständigen Notar eingeleitet werden; der Notar darf alle Handlungen vornehmen, zu denen auch die zuständige Gemeindeverwaltung befugt ist. Der Notar verweist das Verfahren iaR aber an die zuständige Gemeindeverwaltung zurück. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich primär nach dem letzten inländischen Wohnsitz, subsidiär nach dem letzten inländischen Aufenthaltsort des Erblassers oder dem inländischen Todesort oder dem Belegenheitsort des Nachlassvermögens.
Zweck des Nachlassverzeichnisses ist es, die wesentlichen Angaben über den gesamten Nachlass zu erfassen. Die Funktion der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses ist mit der „Todesfallaufnahme“ nach dem österreichischen Recht vergleichbar.
Das notarielle Verfahren (2. Verfahrensabschnitt)
Die örtliche Zuständigkeit des Notars richtet sich nach den gleichen Vorschriften, die auch die Zuständigkeit des Gemeindedirektors regelt.
Der Notar prüft das Nachlassverzeichnis innerhalb von 15 Tagen nach Eingang. Sofern keine Einstellungsgründe vorliegen und das Nachlassverzeichnis nicht unvollständig ist und die Sache verhandlungsreif ist, wird unverzüglich ein Termin zur Nachlassverhandlung angesetzt. Die Teilnahme an der Nachlassverhandlung ist nicht obligatorisch; das Fernbleiben der geladenen Betroffenen verhindert die Abhaltung der Verhandlung nicht.
Als Ergebnis des Nachlassverfahrens erlässt der Notar idR einen Beschluss über die Übergabe des Nachlasses. Beim Nachlassübergabebeschluss handelt es sich um eine Übergabe des Nachlasses an den Erben im rechtlichen Sinne. Der Nachlassübergabebeschluss ist vergleichbar mit dem österreichischen Einantwortungsbeschluss; wichtiger Unterschied ist aber, dass der Nachlassübergabebeschluss deklaratorischer Natur ist.
Der Nachlass kann auch ohne Verhandlung übergeben werden. Dies kann der Fall sein, wenn der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat und es nur einen gesetzlichen Erben gibt oder es mehrere Erben gibt, die sich einvernehmlich einigen.
Das ungarische Recht kenn auch das Rechtsinstitut des Erbscheins zum Nachweis der Erbeneigenschaft. Dieser wird auf Antrag erteilt.