Erbrecht und Testament im Überblick
Allgemeines
Das Erbrecht beschäftigt sich mit der Frage: wer tritt im Ablebensfall in welche Rechte ein und bekommt welchen Anteil am Vermögen?
Vererbt werden können grundsätzlich sämtliche Vermögenwerte, also Liegenschaften, Fahrzeuge, Bilder, Bankguthaben, Pferde oder auch Rechte, etwa auch Zugangsrechte.
Nicht vererbt werden können sogenannte höchstpersönliche Rechte, also solche, die an der Person direkt haften, wie etwa die Herstellung eines Kunstwerkes oder Belastungs- und Veräußerungsverbote.
Erbrecht in der Familie
Im Erbrecht der österreichischen Rechtsordnung steht die Familie und die Versorgung der nächsten Angehörigen im Vordergrund. Hat man selbst keine Regelung für seinen Nachlass getroffen, etwa mittels Testament, wird das Vermögen des Verstorbenen nach den Bestimmungen der §§ 730ff ABGB aufgeteilt. Diese Aufteilung nennt man auch die gesetzliche Erbfolge. Davon streng zu unterscheiden ist das zwingende Pflichtteilsrecht, welches der Erblasser auch mit einem Testament nicht völlig umgehen kann.
Das gesetzliche Erbrecht bemisst sich stehts nach Anteilen am reinen Nachlass des Verstorbenen. Unter dem Begriff „reiner Nachlass“ ist grob gesprochen das Vermögen des Verstorbenen abzüglich dessen Schulden oder Forderungen von Gläubigern des Verstorbenen zu verstehen. Wie hoch nun der konkrete Anteil des Angehörigen ist, hängt im Wesentlichen davon ab, ob der Verstorbene Ehegatten oder Kinder hinterlassen hat bzw. ob es vorverstorbene Kinder des Verstorbenen gibt, die selbst wiederum Kinder haben. Man muss sich also die konkrete Familien-Konstellation genau ansehen. Hier kann ich Ihnen gerne im Rahmen eines Erstgespräches einen Überblick über Ihre Ansprüche geben.
Pflichtteil der Kinder und des Ehegatten
In Österreich gibt es ein zwingendes Pflichtteilsrecht zu Gunsten der Nachkommen bzw. des Ehepartners. Diese erhalten daher grundsätzlich einen Teil des Vermögenkuchens. Im Rahmen einer letztwilligen Verfügung kann der Pflichtteil jedoch gemindert werden. Weiters kann überprüft werden, ob darüber hinaus Gründe bestehen, um den Pflichtteil sogar gänzlich zu entziehen (Enterbung).
Pflichtteil des Ehegatten bzw. eingetragenen Partners
Hatte der Verstorbene leibliche Kinder, so beträgt der gesetzliche Erbteil des Ehegatten stets 1/3-tel des Nachlasses. Der Pflichtteilsanspruch des Ehegatten entspricht daher 1/6 des reinen Nachlasses (= die Hälfte des gesetzlichen Erbteils). Ist ein Kind des Verstorbenen bereits vorverstorben, so erhöht sich der Pflichtteil des Ehegatten nicht, sondern geht dieser Pflichtteilsanspruch auf dessen Nachkommen, somit die Enkelkinder, über.
Hinweis: Die Kinder des vorverstorbenen Ehegatten oder eingetragenen Partners, die nicht gleichzeitig Kinder des Verstorbenen sind, erben nicht. Möchte man seinen Stiefkindern daher etwas zuwenden, muss ein Testament errichtet werden.
Sind zwar keine Kinder, aber noch die Eltern des Verstorbenen vorhanden, beläuft sich der gesetzliche Erbteil des Ehegatten neben den Eltern auf 2/3-tel des Nachlasses. Der Pflichtteilsanspruch des Ehegatten entspricht in diesem Fall 1/3 des reinen Nachlasses. Ist ein Elternteil bereits verstorben, so wird dem Ehegatten der Erbteil des verstorbenen Elternteils zugerechnet. Entsprechend erhöht sich dadurch der Pflichtteilsanspruch des Ehegatten auf 5/12-tel des Nachlasses.
Neben Großeltern und Urgroßeltern, erbt der Ehegatte oder eingetragene Partner alles. Der Pflichtteil des Ehegatten beträgt daher 1/2 des Nachlasses.
Beispiel:
Die Verstorbene ist in zweiter Ehe mit B verheiratet und hinterlässt zwei Kinder X und Y aus erster Ehe.
Variante 1: Im Testament setzt er seine beiden Kinder zu gleichen Teilen als Erben ein. B hat als Ehegattin einen Pflichtteilsanspruch gegen die Kinder im Ausmaß von 1/6-tel des Nachlasses.
Variante 2: Im Testament setzt er seine zweite Gattin B als Alleinerbin ein. Die Kinder X und Y haben jeweils einen Pflichtteilsanspruch im Ausmaß von 1/6-tel des Nachlasses.
Pflichtteil der Kinder
Den Leiblichen oder adoptierten Kindern des Verstorbenen steht ebenfalls ein Pflichtteil zu. Die Höhe des Pflichtteils richtet sich nach der Hälfte ihres jeweiligen gesetzlichen Erbrechts. Für die konkrete Berechnung der Pflichtteile kommt es daher darauf an, wie viele berechtigte Kinder es gibt und ob der Verstorbene im Zeitpunkt des Todes verheiratet oder verpartnert war. Neben dem Ehegatten beläuft sich etwa der gesetzliche Erbteil aller Kinder auf 2/3-tel. Der Pflichtteil aller Kinder beträgt demnach 1/3-tel und wird entsprechende der Anzahl der Kinder aufgeteilt. Man muss sich also die individuelle Situation genau ansehen. Es finden sich weiter unten jedoch ein paar Beispiele.
Ist ein Kind des Verstorbenen bereits vorverstorben geht dieser Pflichtteilsanspruch auf dessen Nachkommen, somit die Enkelkinder, über.
Beispiel 1:
Die Verstorbene hinterlässt ihre eingetragene Partnerin und ein Kind. Der Pflichtteilsanspruch der Partnerin beträgt 1/6-tel (=Hälfte von 1/3-tel). Jener Pflichtteilsanspruch des Kindes beträgt 1/3-tel (= Hälfte von 2/3-tel).
Beispiel 2:
Die Verstorbene ist nicht verheiratet und hinterlässt 3 Kinder, A, B und C. A ist bereits vorverstorben, hat jedoch selbst zwei Kinder X und Y. Die Verstorbene vermacht ihr gesamtes Vermögen einer gemeinnützigen Organisation. Die Erbquote aller Kinder beträgt 1/3-tel. B und C erhalten daher jeweils 1/6-tel des Nachlasses als Pflichtteil. X und Y müssen sich das weitere 1/6-teil des vorverstorbenen A teilen und erhalten je 1/12-tel des Nachlasses als Pflichtteil.
Vielen Hinterbliebenen hilft es, wenn der Erblasser eine Stundung des Pflichtteilsanspruches in seiner letztwilligen Verfügung vorsieht, sodass der Pflichtteilsanspruch nicht gleich erfüllt werden muss.
Testament oder Legat
Unter dem Überbegriff „letztwillige Verfügung“ werden die Unterbegriffe „Testament“ und „Legat“ zusammengefasst. Der Erblasser kann also im Wesentlichen auf zwei verschiedene Arten – idealerweise gemeinsam in einem Dokument – verfügen. Eine testamentarische Erbseinsetzung bewirkt eine Vermögensübertragung nach Quoten. Etwa „nach meinem Tod sollen meine beiden Söhne alles erben“. Hier bekommen die Söhne je die Hälfte des Vermögens, sofern es keine weiteren Anspruchsberechtigten gibt.
Bei einem Legat werden bestimmte Vermögensgegenstände an bestimmte Personen vergeben, etwa „meine Tochter A bekommt mein Haus in Tulln an der Adresse XY. Meine Frau erhält meine Wohnung in Wien an der Adresse XY“. Eine Verfügung mittels Legat macht vor allem dann Sinn, wenn das Nachlassvermögen schwer oder ungünstig verteilt werden kann, wie etwa am Beispiel der Liegenschaften. Vermutlich ist es nämlich der Tochter und der Ehegattin lieber, sie erhalten jeweils eine Liegenschaft zur Gänze, als sie erhalten einen Anteil an beiden Liegenschaften und müssen künftig gemeinsam über einen Behalt oder einen Verkauf entscheiden.
Manche Familiensituationen können erbrechtlich betrachtet sehr verstrickt sein. Bei Fragen zum Thema Erbrecht und Testament vereinbaren Sie gerne einen Termin für ein Erstgespräch.
Schreiben Sie ein E-Mail an office@kanzlei-rauf.at oder rufen Sie mich einfach direkt unter +43 664 925 5245 an. Sie können natürlich auch das Kontaktformular auf meiner Website nutzen.
Nützlicher Hinweis:
Gemäß § 1487a ABGB können einzelne erbrechtliche Ansprüche, wie das Recht, ein Testament anzufechten, den Geldpflichtteil oder eine Schenkungsanrechnung zu fordern, bereits nach 3 Jahren verjähren.