Spanien
In Spanien gibt es 17 Autonome Gemeinschaften (entspricht Bundesstaaten), welchen je nach Autonomiestatut mehr oder weniger Autonomie in der Gesetzgebung zukommt. Die Gerichtsbarkeit obliegt ausschließlich dem spanischen Zentralstaat.
Im Erbrecht gibt es in einigen autonomen Gemeinschaften vom gemeinen spanischen Recht abweichende Rechtsvorschriften. Dieses in den Autonomen Gemeinschaften geltende Zivilrecht wird auch als Foralrecht bezeichnet und findet sich in den folgenden sechs Gemeinschaften:
- Aargon (Argonien)
- Balearen
- Baskenland
- Galicien
- Katalonien
- Navarra
Im Folgenden wird primär auf das gemeine spanische Recht Bezug genommen.
Gesetzliche Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge stellt auf den Verwandtschaftsgrad ab; nähere Verwandte schließen weiter entfernte aus. Die Erbfolge richtet sich nach Stämmen und Linien und die Verteilung erfolgt durch Köpfe.
Die Nähe der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der Generationen; jede Generation bildet einen Grad. Die gesetzlichen Erben gliedern sich in folgende Reihenfolge:
- Abkömmlinge des Erblassers (Deszendenten)
- Verwandte in aufsteigender Linie (Aszendenten)
- Überlebender Ehegatte
- Verwandte der Seitenlinie bis zum vierten Grad
- Staat
Die gesetzliche Erbfolge besteht bis zum vierten Grad der Seitenlinie (Cousins). Mangels Vorhandenseins von Verwandten des vierten Grades der Seitenlinie fällt die Verlassenschaft an den Staat.
Der überlebende Ehegatte hat neben den Nachkommen und Vorfahren zwar kein Erbrecht, aber ein Fruchtgenussrecht, welches neben den Nachkommen 1/3 des Nachlasses und neben den Vorfahren 1/2 des Nachlasses beträgt. Ein eigenes Erbrecht hat der überlebende Ehegatte vor den Seitenverwandten, wenn keine Nachkommen oder Vorfahren (Eltern, Großeltern, Urgroßeltern) vorhanden sind. Der unverheiratete Lebensgefährte hat kein gesetzliches Erbrecht.
Die Autonomen Gemeinschaften Balearen und Galicien verweisen bezüglich dieser Bestimmungen auf den Código Civil. In den anderen Gemeinschaften (Aargon, Baskenland, Katalonien und Navarra) bestehen eigene gesetzliche Vorschriften, die dem gemeinen spanischen Recht aber sehr ähnlich sind. Das Heimfallsrecht besteht in den Foralrechten nicht zugunsten des Staates, sondern zugunsten der jeweiligen Autonomen Gemeinschaft.
Formvorschriften Testament
In Spanien gilt allgemein die Testierfreiheit.
Notarielles Testament
Beim spanischen testamento abierto („offenes Testament“) wird das Testament vor dem Notar erteilt, der die Gesetzmäßigkeit des Inhaltes zu prüfen hat. Die Anwesenheit von Zeugen ist erforderlich.
Es besteht aber auch die Möglichkeit, dem Notar das Testament so zu übergeben, dass dieser von dessen Inhalt keine Kenntnis erlangt (testamento cerrado; „verschlossenes Testament). Dabei wird ein fremdhändiges Testament verfasst, welches auf allen Seiten vom Testator zu unterfertigen ist. Der Notar hat das Testament in einem versiegelten Umschlag zu verwahren (praktisch jedoch kaum relevant).
Notarielle Testamente werden in Spanien in einem Zentralen Testamentsregister erfasst. Ein fremdhändiges Testament ohne Mitwirkung eines Notars gibt es im spanischen Recht nicht.
Eigenhändiges Testament
Das spanische testamento ológrafo ist zur Gänze vom Testator zu verfassen und von ihm unter Angabe des genauen Datums zu unterschreiben. Durchgestrichene oder verbesserte Wörter müssen mit einem Berichtigungsvermerk und einer Unterschrift des Testators versehen sein. Das Fehlen führt für den Fall zur Gesamtnichtigkeit des Testaments, in dem die Änderung zu einer wesentlichen Veränderung des ursprünglichen Texts und des Willens des Erblassers führen. Wurden lediglich Schreibfehler berichtigt, werden nur die betroffenen einzelnen Verfügungen unwirksam.
Das eigenhändige Testament kann einem Notar zur Verwahrung übergeben werden, sodass es im Zentralen Testamentsregister erfasst werden kann. Beim eigenhändigen Testament muss durch ein spanisches Gericht protokolliert werden, dass die Handschrift tatsächlich vom Testator stammt; vor dieser Bestätigung hat ein eingehändigtes Testament in Spanien keine Rechtswirkung. Die rechtlichen Anforderungen dafür sind sehr streng.
Eine Person, die ein handschriftliches Testament in ihrem Besitz hat, hat es binnen 10 Tagen nach dem Tod des Erblassers dem zuständigen Gericht/Notar auszuhändigen, widrigenfalls Schadenersatzansprüche drohen.
Das eigenhändige Testament ist in Spanien aufgrund der hohen rechtlichen Anforderungen praktisch nahezu unbedeutend.
Sonstiges
Ein gemeinsames Testament ist im spanischen gemeinen Recht nach Art 669 CC verboten. Im Baskenland, Aargon, Galicien und Navarra ist ein gemeinschaftliches Testament allerdings unter beliebigen Personen zulässig. Ein Testament ist auch ohne Erbeinsetzung wirksam (nicht aber in Katalonien, Mallorca und Menorca).
Außerdem kennt das spanische Recht auch Nottestamente, die ohne Notar abgeschlossen werden können und eine Gültigkeit von zwei Monaten haben. Neben einer Notsituation werden dafür je nach Situation fünf (bei Todesgefahr) bzw drei (bei Epidemien) Testamentszeugen benötigt. Erbverträge sind nach dem gemeinen spanischen Recht unzulässig.
Pflichtteilsrecht
Das spanische Recht kennt keine dem österreichischen Pflichtteilsanspruch vergleichbare Regelung. Das spanische Gesetz hat die Teilhabe der engsten Angehörigen anders realisiert: Den Begünstigten wird als Noterbe eine Stellung als unmittelbar am Nachlass Berechtigten eingeräumt.
Der Pflichtteil, die sog legítima, kann nur bei Vorliegen eines Erbunwürdigkeitsgrundes entzogen werden und kann weder beschwert noch mit Bedingungen belastet werden. Der Noterbe wird nach gemein-spanischem Recht unmittelbar am Nachlass in Höhe seiner Quote beteiligt; er hat daher nicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch. Str ist aber, ob er echter Miterbe wird.
Pflichtteil der Kinder und sonstigen Nachkommen
Der Pflichtteil ist fix und unabhängig von der Anzahl der Pflichtteilsberechtigten. Die direkten Nachkommen sind jedenfalls pflichtteilsberechtigt, die weiteren Nachkommen nur aufgrund ihrer Repräsentation.
Der Erblasser kann daher nur über 1/3 seines Vermögens frei verfügen; die Kinder und sonstigen Nachkommen haben einen Pflichtteil von insgesamt 2/3 des Nachlasses. Die Hälfte dieses für die Abkömmlinge reservierten Noterbteils muss der Erblasser gleichmäßig auf die Noterben aufteilen (legitima estricta; „strenger Pflichtteil“), die andere Hälfte kann er unter den Noterben frei verteilen (mejora; „Aufbesserung“).
Hat der Erblasser zB drei Kinder, so erhält jedes dieser Kinder zunächst 1/9 des Nachlasses als Noterbteil. Hinsichtlich des verbleibenden, für die Noterben reservierten Erbteils könnte der Erblasser etwa ein Kind in voller Höhe aufbessern und die anderen beiden leer ausgehen lassen.
Pflichtteil der Vorfahren
Die Vorfahren haben ein subsidiäres Pflichtteilsrecht nach den Kindern und sonstigen Nachkommen. Die Höhe hängt vom Vorhandensein eines überlebenden Ehegatten des Erblassers ab. Sofern es einen überlebenden Ehegatten gibt, beträgt der Pflichtteil 1/3, ansonsten ist der Pflichtteil 1/2 des Nachlasses. Ist ein Elternteil vorverstorben, hat der überlebende Elternteil einen Anspruch auf den gesamten Pflichtteil. Sind beide Eltern vorverstorben, aber Vorfahren vorhanden, so verteilt sich der Pflichtteil zu gleichen Teilen auf die Vorfahren väterlicher- und mütterlicherseits.
Pflichtteil des überlebenden Ehegatten
Der überlebende Ehegatte hat, neben Kindern und sonstigen Nachkommen, Anspruch auf Fruchtgenuss an 1/3 des für die mejora vorgesehenen Teils des Nachlasses, sofern er nicht rechtlich oder tatsächlich getrennt ist. Dieser Fruchtgenuss ist zeitlich nicht begrenzt und steht lebenslänglich zu. Sein Pflichtteil in Form des Fruchtgenussrechtes beträgt 1/2 des Nachlasses, wenn er lediglich mit Vorfahren des Erblassers konkurriert. Gibt es weder Vorfahren noch Nachkommen, so beträgt der Pflichtteil in Form des Fruchtgenussrechtes 2/3 des Nachlasses.
Pflichtteil im Foralrecht
Mit Ausnahme von Galicien weichen die Foralrechte vom Pflichtteilsrecht des gemeinen spanischen Rechts ab. Die Foralrechte sind im Allgemeinen in dieser Hinsicht eher liberaler als das gemeine spanische Recht.
Anrechnung von Schenkungen zu Lebzeiten
Bei der Berechnung der Noterbteile werden Schenkungen hinzugerechnet und der Nachlass saldiert.
Das Gesetz nennt zwar lediglich Schenkungen an Kinder und Abkömmlinge, allerdings werden auch Schenkungen an die Eltern und Aszendenten bei der Berechnung ihres Notwebteils angerechnet. Sofern der Nachlass nicht ausreicht, um die Ansprüche der Noterben zu befriedigen, so werden die Schenkungen des Erblassers als pflichtteilswidrig und somit nichtig erklärt; dies kann zur Gänze oder anteilig passieren.
Pflegevermächtnis
Es gibt keine Hinweise auf ein dem Pflegevermächtnis entsprechendes Rechtsinstitut im spanischen Recht.
Verlassenschaftsverfahren
Auch im spanischen Nachlassverfahren ist das institutionelle Zusammenspiel zwischen Notar und Gericht ein Charakteristikum. Der Notar spielt dabei eine Hauptrolle, besonders dann, wenn eine letztwillige Verfügung des Erblassers notariell protokolliert wurde. Der Notar übernimmt primär Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit, darunter die Eröffnung des eigenhändigen Testaments und des verschlossenen Testaments. Werden Erbsachen dagegen streitig, wird die gerichtliche Zuständigkeit eröffnet, insb bei der Erbteilung.
Testamentseröffnung (Testament vorhanden)
Hat der Erblasser eine letztwillige Verfügung errichtet, ist im Fall des Todes festzustellen, wo sich diese Verfügung befindet.
Das eigenhändige Testament ist einem zuständigen Notar zwecks Eröffnung vorzulegen; von diesem ist dann der Nachweis des Todes des Erblassers zu eröffnen. Die Wirksamkeit des eigenhändigen Testaments ist davon abhängig, dass es binnen eines Zeitraums von fünf Jahren ab Todestag eröffnet wird. Grds ist das Notariat an dem Ort zuständig, an dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz oder seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte oder an dem sich der überwiegende Teil seines Vermögens oder sein Sterbeort befindet. Der Notar beruft die nächsten Familienangehörigen und des Erblassers und uU auch Zeugen zur Testamentseröffnung ein. Wenn der Notar von der Echtheit des Testaments ausgeht, protokolliert er es und erteilt den Berechtigten auf Antrag beglaubigte Abschriften.
Das normale notarielle offene Testament wird von diesem oder einem anderen Notar eröffnet und im Rahmen der Erbschaftsannahme und Zuweisung nach dem Willen des Erblassers umgesetzt.
Ein verschlossenes Testament muss gem Art 712 CC ebenfalls innerhalb von zehn Tagen dem Richter vorgelegt werden und nach Prüfung der Echtheit des Testamentes wird ein Protokoll hierüber durch einen Notar gefertigt.
Nachweis der Erbeneigenschaft (Kein Testament vorhanden)
Ist der Erblasser ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung oder eines Erbvertrages verstorben, wird die Erbeneigenschaft je nach Art der Rechtsbeziehung zwischen Erblasser und Erben durch ein notarielles Verfahren nachgewiesen; dieses Verfahren setzt aber zwingend voraus, dass kein Testament vorliegt.
Jeder der potentiellen gesetzlichen Erben ist befugt, im notariellen Verfahren bei dem zuständigen Notar zu erscheinen und diesem die konkreten Umstände darzulegen und die entsprechenden Urkunden vorzulegen und somit die acta de notriedad zu beantragen.
Erbschaftsannahme
Für die Annahme einer Erbschaft ist eine Erklärung der Erbschaftsannahme abzugeben. Die Besitz- und Eigentumsübertragung der Nachlassgegenstände erfolgt damit rückwirkend im Zeitpunkt des Todes des Erblassers (Art 440 CC). Der Erbe kann die Erbschaft auch ausschlagen. In einigen Fällen ist die Ausschlagung bzw die Erbschaftsannahme erschwert, nämlich bei Minderjährigen unter 16 Jahren, bei Sachwaltern und bei Gläubigern des Erben.
Es besteht keine Frist zur Abgabe der Erbserklärung. Der Erbe kann aber im Verlassenschaftsverfahren auf Antrag vom Notar innerhalb einer Frist von 30 Tagen zur Abgabe einer Erbserklärung aufgefordert werden. Mangels Äußerung gilt die Erbschaft als einfach angenommen.
Erbteilung
Bei Vorhandensein mehrerer Miterben erfolgen die Erbauseinandersetzung und die Erbteilung im Rahmen einer notariellen Urkunde. Nach Inventarerrichtung in der Notariatsurkunde und der Erklärung der Erbschaftsannahme erfolgt die Zuweisung der einzelnen Vermögensgegenstände gem des letzten Willens des Erblassers oder aufgrund gesetzlicher Erbfolge.
Falls sich Miterben oder Vermächtnisnehmer hinsichtlich der Aufteilung nicht einigen, können im Rahmen des streitigen Verfahrens die Gerichte angerufen werden. Dem Antrag ist neben der Sterbeurkunde die Urkunde, auf die der Kläger sein Recht stützt (zB Testament oder Vermächtnis) beizufügen.