Niederlande

Gesetzliche Erbfolge

Das niederländische Erbrecht räumt dem überlebenden Ehegatten oder registrierten Partner im Verhältnis zu den Kindern eine starke Position ein. Dem zusammenlebenden, aber nicht registrierten oder unverheirateten Partnern wird im gesetzlichen Erbrecht keine Rechnung getragen. Die von Tisch und Bett getrennten Ehegatten beerben sich nicht gegenseitig, obwohl die Ehe juristisch noch aufrecht ist.

Das niederländische Erbrecht kennt vier Gruppen von Erben, die nacheinander erben, wenn in der vorherigen Gruppe keine Erben vorhanden sind.

  • Erste Gruppe: Der nicht von Tisch und Bett getrennte Ehegatte oder registrierte Partner des Erblassers, zusammen mit dessen Kindern
  • Zweite Gruppe: Die Eltern des Erblassers, zusammen mit dessen Geschwistern,
  • Dritte Gruppe: Die Großeltern des Erblassers,
  • Vierte Gruppe: Die Urgroßeltern des Erblassers.

Die Erben, die selbst in der erblichen Ordnung in eigener Person erben, erben zu gleichen Teilen. In jeder der oben genannten Gruppen findet ein uneingeschränktes Eintrittsrecht statt; die Abkömmlinge des Erben nehmen dessen Platz ein. Das Eintrittsrecht greift nicht nur ein, wenn der Erbe verstorben ist, sondern auch, wenn der Erbe die Erbschaft zB ausschlägt oder wenn er selbst unwürdig ist.

In der zweiten Gruppe findet das Eintrittsrecht bei den Geschwistern statt. Zu Geschwister gehören auch Halbgeschwister, welche jedoch nur die Hälfte des Erbteils eines vollen Geschwisterteils erben.

In der dritten und vierten Gruppe wird der Platz durch die Groß- oder Urgroßeltern eingenommen.

Die Ururgroßeltern erben nicht; außerdem geht die Vererbung nur bis zum sechsten Grad. Diejenigen, die mit dem Erblasser weiter als mit dem sechsten Grad verwandt sind, erben nicht mehr als gesetzliche Erben. Die Erbschaft kommt in diesem Fall dem Staat zugute.

Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten mit Kindern

Das niederländische Erbrecht kennt eine gesetzliche Überlebendenregelung für verheiratete Personen mit Kindern. Wenn ein verheirateter Erblasser stirbt, werden der überlebende Ehegatte und die Kinder Erben. Der überlebende Ehegatte wird aber weitgehend bevorzugt, weil er das alleinige Eigentum der Güter des Nachlasses erhält und den Kindern nur ein Forderungsrecht verbleibt. Dies ist eine „gesetzliche Verteilung“ des Nachlasses.

Das Forderungsrecht der Kinder ist auf Zahlung eines Betrags gerichtet, der dem Wert ihres Erbteils entspricht. Der Betrag ist erst fällig, wenn

  • Der überlebende Ehegatte stirbt
  • Über sein Vermögen Insolvenz erklärt wird
  • Das Gesetz über die Schuldsanierung natürlicher Personen auf ihn anzuwenden ist.

Von Gesetzes wegen haben die Kinder bei einer gesetzlichen Verteilung sogenannte Willensrechte. Dadurch soll vorgebeugt werden, Güter des eigenen Elternteils über die gesetzliche Verteilung zum Stiefelternteil verschwinden. Ist der überlebende Elternteil wieder verheiratet, ist ebenfalls die gesetzliche Verteilung anzuwenden. Wenn der überlebende Ehegatte dann verstirbt, hat der Stiefelternteil das umfassende Eigentumsrecht an den Nachlassgütern und die Kinder erhalten wieder eine nicht aufforderbare Geldforderung gegen dem Stiefelternteil. In diesem Fall können sie zwar ihre Geldforderung als Folge des Versterbens des ersten Elternteils einfordern, jedoch besteht dieser nur in der Geldforderung, nicht aber in einem Anspruch auf Übertragung der Güter. Gesetzlich ist vorgesehen, dass die Kinder in bestimmten Situationen einen Anspruch auf die Übertragung von Gütern haben, mit oder ohne Vorbehalt eines Nießbrauchs. Diese Rechte können die Kinder in vier Situationen ausüben, beispielsweise wenn das Kind eine Forderung gegen seinen Stiefelternteil wegen des Versterbens seines eigenen Elternteils bekommt; dann sind die Erben des Stiefelternteils verpflichtet, auf Antrag des Kindes die Güter an das Kind zu übertragen, um dessen Forderung zu erfüllen. Mittels eines Testaments können die Willensrechte aufgehoben eingeschränkt oder erweitert werden.

Formvorschriften Testament

Das Testament wird ausschließlich im Wege der notariellen Beurkundung errichtet. Nach niederländischem Recht gibt es drei Formen von letztwilligen Verfügungen.

Öffentliches Testament

 Das öffentliche Testament wird beim Notar aufgenommen.

Depotstestament

Für dessen Inhalt ist der Erblasser gänzlich selbst verantwortlich. Es wird beim Notar in Depot gegeben.

Codicil

Es handelt sich dabei um eine informelle Form der letztwilligen Verfügung. Es ist durch den Erblasser eigenhändig verfasst, unterzeichnet und datiert. Im Codicil kann lediglich die Bestattung, das Zurverfügungstellen der irdischen Reste für die Wissenschaft und Vermächtnisse für Kleider, Körpergegenstände, Schmuck, Hausrat und Bücher festgelegt werden. Die Möglichkeit, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen, besteht nicht.

Pflichtteilsrecht

Falls der Erblasser im Testament zB einen Dritten zum alleinigen Erben ernannt hat, können die Nachkommen das Pflichtteilsrecht geltend machen.

Das Pflichtteilsrecht beläuft sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Gleich wie der gesetzliche Erbteil ist das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge ebenfalls nur ein Forderungsrecht. Nur die Nachkommen, die gesetzliche Erben sind, sind zum Pflichtteil berechtigt. Es besteht kein Recht mehr auf einen Anteil an den Nachlassgütern selbst, der Pflichtteilsberechtigte hat nur eine Geldforderung und wird Gläubiger des Nachlasses.

Anrechnung von Schenkungen zu Lebzeiten

Zuwendungen des Erblassers während seines Lebens werden nur vom Pflichtteilsrecht abgezogen, wenn sie innerhalb von fünf Jahren vor dem Tode des Erblassers gemacht worden sind.

Pflegevermächtnis

In den Niederlanden besteht kein dem österreichischen Pflegevermächtnis vergleichbares Rechtsinstitut.

Verlassenschaftsverfahren

Der Nachlass geht vollkommen automatisch auf die Erben über und erfordert kein spezielles Verfahren. Nach niederländischem Recht kann der Erbe den Nachlass:

  • Rein annehmen
  • Benefiziarisch annehmen (Annahme unter Vorbehalt der Inventaraufnahme)
  • Ausschlagen

Für die Entscheidung hat der Erbe drei Monate Zeit.

Nach dem Tod des Erblassers erstellt der Notar oft einen Erbschein. Darin wird festgelegt, wer die Erben des Erblassers sind und wer der Testamentsvollstrecker ist. Dem Notar obliegt eine Untersuchungspflicht. Er wird die Familie des Erblassers befragen und Auszüge beim Standesamt beantragen. Auch wird geprüft, ob der Erblasser ein Testament erstellt hat.

Bei der Abwicklung und Verteilung des Nachlasses haben in der niederländischen Rechtspraxis die Notare eine wichtige Funktion. Der Nachlassnotar wird entweder von den Erben oder – bei beschränkter Erbesannahme – durch das Gericht ernannt.

 

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