Frankreich

Gesetzliche Erbfolge

Ausgangspunkt des französischen gesetzlichen Erbrechts ist das Verwandtenerbrecht. Es gibt vier Erbordnungen, wobei der jeweils höheren Ordnung Vorrang zukommt.

Gesetzliche Erben erster Ordnung

Zur ersten Ordnung gehören die Abkömmlinge. Mehrere Abkömmlinge erben zu gleichen Teilen. Gradnähere Abkömmlinge schließen die gradferneren von der Erbfolge aus. Bei Vorversterben findet eine Repräsentation statt. Dann kommt es zu einer Erbfolge nach Stämmen.

Gesetzliche Erben zweiter Ordnung

Die gesetzlichen Erben der zweiten Ordnung werden von den privilegierten Aszendenten und Seitenverwandten, also von den Eltern, Geschwistern und Geschwisterkindern, gebildet.  In dieser Ordnung findet eine Repräsentation der Geschwister, nicht aber der Eltern statt.

Hinterlässt der Erblasser seinen Vater oder/und seine Mutter, aber keine privilegierten Seitenverwandten, gilt folgendes:

  • Überleben beide Elternteile, so erben sie je die Hälfte des Vermögens
  • Überlebt nur ein Elternteil kommt es darauf an, ob in der anderen Linie gewöhnliche Aszendenten vorhanden sind:
    • Ist dies nicht der Fall, erhält der Elternteil die gesamte Erbschaft
    • Trifft er dagegen mit gewöhnlichen Aszendenten in der anderen Linie zusammen, kommt es zur sog fente, dh zur Linearteilung in eine väterliche und eine mütterliche Linie; der überlebende Elternteil erhält die Hälfte, die andere Hälfte geht an die gradnächsten Aszendenten der anderen Linie (Das Rechtsinstitut der fente stellt eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass eine nähere eine fernere Erbordnung ausschließt, dar).

Sind die Eltern des Erblassers vorverstorben, wird er jedoch von privilegierten Seitenverwandten überlebt, erben letztere zu gleichen Teilen (unabhängig davon, ob es sich um halb- oder vollbürtige Geschwister handelt).

Möglich ist außerdem, dass privilegierte Aszendenten mit privilegierten Seitenverwandten zusammentreffen. Wenn beide Eltern noch leben, erhalten sie zusammen die Hälfte des Nachlasses, also je 1/4. Die andere Hälfte teilen sich die Geschwister. Überlebt nur ein Elternteil, so steht diesem ein Viertel, den Geschwistern stehen drei Viertel zu.

Gesetzliche Erben dritter Ordnung

Die dritte Erbordnung bilden die gewöhnlichen Aszendenten, dh alle mit dem Erblasser in gerader Linie verwandten Aszendenten mit Ausnahme der Eltern, also Großeltern und Urgroßeltern usw. Der Nachlass wird in eine väterliche und eine mütterliche Linie gespalten. Innerhalb jeder Linie entscheidet die Gradnähe, bei gleicher Gradnähe wird der angefallene Anteil nach Köpfen verteilt.

Gesetzliche Erben vierter Ordnung

Zur vierten Ordnung gehören die gewöhnlichen Seitenverwandten, also Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen usw. In der vierten Ordnung werden nur Verwandte bis zum sechsten Grad berücksichtigt. Auch in dieser Ordnung wird der Nachlass in eine väterliche und eine mütterliche Linie geteilt und innerhalb der Linien jeweils an die Gradnächsten verteilt.

Gesetzliches Erbrecht des überlebenden Ehegatten

Erbberechtigt ist der nicht rechtskräftig geschiedene Ehegatte; gleichgestellt ist außerdem der gleichgeschlechtliche Ehegatte. Die bloße Rechtsanhängigkeit eines Scheidungsverfahrens hat keine Auswirkung auf das Ehegattenerbrecht, ebensowenig die Trennung von Tisch und Bett.
Nicht erbberechtigt sind nichteheliche Lebensgefährten oder gleichgeschlechtliche Lebenspartner, auch wenn sie mit dem Verstorbenen in einer registrierten Partnerschaft (PACS) gelebt haben (besondere Form einer zivilrechtlichen Partnerschaft in Frankreich).

Der überlebende Ehegatte erhält den gesamten Nachlass zu Eigentum, wenn der Erblasser keine Abkömmlinge oder Eltern hinterlässt. Dies gilt grds auch dann, wenn Erblasser Geschwister oder Geschwisterkinder hinterlässt. Hinterlässt der Erblasser Vater und Mutter, so erbt der überlebende Ehegatte die Hälfte des Nachlasses zum Eigentum. Ist nur ein Elternteil vorhanden, so erbt er drei Viertel des Nachlasses zum Eigentum.

Am schlechtesten ist die Stellung des überlebenden Ehegatten, wenn er mit Abkömmlingen des Erblassers zusammentrifft. Dann erhält er nach seiner Wahl entweder den Nießbrauch am gesamten Nachlass oder ein Viertel des Nachlasses zu Eigentum. Dieses Wahlrecht besteht nicht, wenn Kinder aus verschiedenen Verbindungen des Erblassers vorhanden sind; diesfalls erbt der überlebende Ehegatte immer ein Viertel des Nachlasses zu Eigentum. Die anderen Erben können den Ehegatten schriftlich auffordern, innerhalb von drei Monaten eine Wahl zu treffen. Kommt dieser dem Verlangen nicht nach, wird die Wahl des Nießbrauchs angenommen.

Testamentarische Erbfolge

Das französische Recht kenn drei Formen ordentlicher Testamente. Formverstöße führen zur absoluten Nichtigkeit des Testaments, das Testament ist also ipso iure nichtig und muss nicht angefochten werden.

Der Erblasser muss im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments jedenfalls testierfähig gewesen sein; hierzu ist insb die geistige Gesundheit erforderlich. Die Testierunfähigkeit führt zur relativen Nichtigkeit des Testaments, die durch Klage geltend zu machen ist.

Der Widerruf eines Testaments durch den Erblasser ist jederzeit ausdrücklich oder durch konkludentes Handeln möglich. Letztwillige Verfügungen verlieren im Scheidungsfall automatisch ihre Wirkung, es sei denn, es lag ein anderer Wille des Verfügenden vor. Gemeinschaftliche Testamente sind grds verboten, auch Verträge über künftige Erbschaften sind verboten. Davon umfasst sind unter anderem auch Erbverträge und Erb- bzw Pflichtteilsverzichtsverträge; es bestehen aber Ausnahmen.

Holographisches Testament

Das holographische Testament muss eigenhändig verfasst und unterschrieben sein. Außerdem muss es datiert sein.

Öffentliches Testament

Das öffentliche Testament wird vor zwei Notaren oder einem Notar und zwei Zeugen errichtet. Dabei diktiert der Erblasser den Inhalt, der Notar schreibt den Text nieder und liest ihn anschließend noch einmal vor; zuletzt haben alle zu unterschreiben. Die Zeugen müssen französisch sprechen und volljährig sein; die französische Staatsangehörigkeit ist nicht erforderlich. Notarielle Testamente werden bei einer von den französischen Notaren eingerichteten, halbstaatlichen Stelle gegen eine Gebühr registriert, um ein Auffinden nach dem Tod zu erleichtern.

Mystisches Testament

Das mystische Testament ist wenig gebräuchlich; es wird vom Erblasser selbst oder auf seinen Wunsch von einem Dritten niedergeschrieben und vom Erblasser unterschrieben, verschlossen, versiegelt und einem Notar in Gegenwart von zwei Zeugen übergeben.

Pflichtteilsrecht

In Frankreich ist das Pflichtteilsrecht als materielles Noterbrecht ausgestaltet. Der Erblasser kann demzufolge nur über einen bestimmten Teil seines Vermögens – der quotité disponible – von Todes wegen verfügen. Auch Schenkungen unter Lebenden unterliegen diesen Einschränkungen. Der Rest des Nachlasses, die réserve, bleibt den Noterben vorbehalten.  Die Höhe der réserve ist nicht starr festgelegt, sie hängt von Zahl und Art der Noterben ab. Seit 2007 hat der Noterbe in erster Linie einen in Geld zu erfüllenden Ausgleichsanspruch; nur ausnahmsweise ist eine Erfüllung in Natur vorgesehen. Dogmatisch ist daher zweifelhaft, ob es sich tatsächlich um ein „echtes“ Noterbrecht handelt.

Kreis der Noterben; Höhe der Beteiligung

Der überlebende Ehegatte hat ein Noterbrecht iHv 1/4 des Nachlasses, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind. Pflichtteilsberechtigt ist nur der nicht rechtskräftig geschiedene Ehegatten. Nicht pflichtteilsberechtigt sind nichteheliche Lebensgefährten oder gleichgeschlechtliche Lebenspartner. Vorbehaltserben sind im Übrigen die Abkömmlinge des Erblassers. Innerhalb der Gruppe des Deszendenten gelten die allgemeinen Prinzipien des gesetzlichen Erbrechts, insb der Grundsatz der Repräsentation nach Stämmen bei Vorversterben eines Kindes des Erblassers.

Die Höhe der réserve richtet sich nach der Zahl der Kinder:

  • Bei Vorhandensein eines Kindes: Freie Verfügung über 1/2 des Nachlasses
  • Bei Vorhandensein zweier Kinder: Freie Verfügung über 1/3 des Nachlasses
  • Bei Vorhandensein dreier oder mehr Kinder: Freie Verfügung über 1/4 des Nachlasses

Mit der Erbrechtsnovelle 2007 wurde die Noterbberechtigung der Vorfahren aufgehoben. Neu eingeführt wurde stattdessen zugunsten der Eltern ein Rückfallrecht: Sind keine Nachkommen des Verstorbenen vorhanden, so können die Eltern dem Verstorbenen gemachte Geschenke von den Erben in Natur zurückfordern. Ist eine Rückgabe in Natur nicht möglich, so kann eine Geldentschädigung verlangt werden. Das Rückforderungsrecht ist maximal auf die gesetzliche Erbquote beschränkt und wird auf diese angerechnet.

Besonderheiten ergeben sich bzgl der disponiblen Quote, wenn der überlebende Ehegatte mit anderen Noterben (also Abkömmlingen) zusammentrifft. Diese besonderen Quoten gelten nur für Verfügungen zugunsten des Ehegatten, nicht aber für Verfügungen zugunsten Dritter. Bei Vorhandensein eines oder mehrerer Kinder des Erblassers kann der Erblasser zugunsten des überlebenden Ehegatten entweder über den allgemeinen Freiteil oder über den Gesamtnachlass zu Nießbrauch verfügen.

Anrechnung von Schenkungen zu Lebzeiten

Zur Ermittlung, ob der Erblasser die disponible Quote überschritten hat, sind die ermittelten Quoten auf das nicht durch Schenkungen oder Verfügungen von Todes wegen verminderte Vermögen anzuwenden. Dazu wird zunächst der Wert des Nachlasses im Todeszeitpunkt festgestellt. Danach werden die Schulden des Erblassers abgezogen; anschließend sind fiktiv die vom Erblasser zu Lebzeiten getätigten Schenkungen hinzuzuzählen. Dabei wird der Zustand der weggegebenen Gegenstände im Zeitpunkt der Schenkung, aber ihr Wert zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt. Bei Veräußerungen gilt der Wer im Zeitpunkt der Veräußerung. Bei Anschaffung von Ersatzgegenständen zählt der Wert der neuen Gegenstände im Zeitpunkt des Erbfalls, jedoch ihr Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs.

Pflegevermächtnis

Es gibt keine Hinweise auf ein dem österreichischen Pflegevermächtnis vergleichbares Rechtsinstitut in Frankreich.

Verlassenschaftsverfahren

Testamentseröffnung

Die Nachlassabwicklung liegt in Frankreich weitgehend in den Händen des Notars. Ein förmliches Verfahren zur Testamentseröffnung gibt es in Frankreich nicht. Notarielle Testamente muss der Notar innerhalb eines Monats bei der Urkundensteuerstelle in Kopie einreichen und registrieren lassen; privatschriftliche Testamente sind einem Notar abzuliefern. Dieser öffnet das Testament, falls es verschlossen ist. Über die Öffnung des Testaments und die getroffenen Feststellungen zum Zustand des Testaments errichtet der Notar eine Niederschrift.

Nachweis der Erbeneigenschaft

Ein förmliches Erbscheinverfahren wie im deutschen Recht kennt das französische Erbverfahrensrecht nicht. Die Erbenstellung kann durch alle Beweismittel nachgewiesen werden. Die geläufigste Form ist der sog acte de notoriété, der von einem Notar auf Antrag eines oder mehrerer Erben errichtet wird. Dem Notar sind dabei Verfügungen von Todes wegen, Eheverträge etc vorzulegen. Ein acte de notoriété erbringt im Rechtsverkehr bis zum Beweis des Gegenteils den Beweis der Erbenstellung.

Streiten mehrere Personen um die Rechtsnachfolge, so kann die Rechtslage mittels einer Erbschaftsklage gerichtlich geklärt werden. Dieses Verfahren ist zwar gesetzlich nicht geregelt, in der Praxis aber allgemein bekannt. Zuständig ist das Gericht am letzten Wohnsitz des Erblassers. Der Kläger muss sein Erbrecht beweisen, bei testamentarischer Erbfolge vor allem durch Vorlage der letztwilligen Verfügung, bei gesetzlicher Erbfolge vor allem durch Vorlage von Geburts- und Heiratsurkunden.

 

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