Enterbung und Pflichtteilsminderung in Österreich
Was bedeutet Enterben?
Durch eine Enterbung wird einer pflichtteilsberechtigten Person (Ehegatte oder Kinder) ganz oder teilweise der Pflichtteil entzogen. Durch eine wirksame Enterbung erhält diese Person weder einen Erbteil noch einen Pflichtteil. Eine Enterbung muss letztwillig verfügt werden, also zB in einem Testament festgehalten werden und ist zwingend an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.
Was ist der Pflichtteil?
Bestimmte nächste Angehörige haben einen Anspruch auf einen sogenannten Pflichtteil vom Erbe. Der Pflichtteil ist ein Mindestanteil am Erbe und steht in Österreich dem Ehegatten und den leiblichen Kindern zu. Die Höhe des Pflichtteils beläuft sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Beispiel:
Ein unverheirateter Mann hat eine Tochter und eine Lebensgefährtin. In seinem Testament setzt er seine Lebensgefährtin als Alleinerbin ein. Die Tochter würde nach der gesetzlichen Erbfolge zu 100 % erben. Der Pflichtteil der Tochter beläuft sich damit auf 50 % des Erbes. Die Tochter kann daher die Hälfte des Wertes aus dem Nachlass von der Lebensgefährtin fordern.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann der gesetzliche Pflichtteil jedoch auch gemindert (Pflichtteilsminderung) oder ganz entzogen werden (Enterbung).
Enterbungsgründe
Pflichtteilsberechtigte können als erbunwürdig erklärt und somit vollständig enterbt werden, wenn sie:
- Eine strafbare Handlung gegen den Verstorbenen oder dessen nahe Angehörige begangen haben, die vorsätzlich war und mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist.
- Den letzten Willen des Verstorbenen absichtlich vereitelt oder versucht haben, dies zu tun.
- Dem Verstorbenen schweres seelisches Leid in verwerflicher Weise zugefügt haben.
- Ihre familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Verstorbenen gröblich vernachlässigt haben.
- Wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat (auch gegenüber Dritten) zu lebenslanger oder mindestens zwanzigjähriger Freiheitsstrafe verurteilt wurden.
Enterbung in guter Absicht
Eine Sonderform stellt die Enterbung in guter Absicht dar, die greift, wenn der Pflichtteilsberechtigte überschuldet ist oder einen verschwenderischen Lebensstil pflegt. Hierbei kann der Erblasser den Pflichtteil zu Gunsten der Kinder der pflichtteilsberechtigten Person entziehen, um zu verhindern, dass das Erbe verschleudert wird. Diese Regelung gilt ausschließlich zum Vorteil der Kinder des Enterbten und setzt voraus, dass diese zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits gezeugt oder geboren wurden.
Beispiel:
Die Witwe W hat einen Sohn S. S hat zwei Töchter A und B. W hat ihr Leben lang gespart und befürchtet nun, dass aufgrund der Privatinsolvenz Ihres Sohnes und dessen verschwenderischen Lebensstils nichts mehr für ihre Enkeltöchter übrigbleiben wird. Aus diesem Grund enterbt W im Rahmen eines Testamentes ihren Sohn zu Gunsten ihrer Enkeltöchter A und B.
Eine Enterbung ist nur wirksam, wenn sie zB in einem Testament letztwillig verfügt wurde und ein Enterbungsgrund vorliegt.
Wir jemand ohne Vorliegen eines Enterbungsgrunds enterbt, gilt dies im Zweifel als Setzen auf den Pflichtteil (§ 775 Abs 1 ABGB). Auch eine unwirksame Enterbung kann in eine Pflichtteilsminderung umgedeutet werden, sofern die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind und die Enterbung nicht auf einem Irrtum beruhte.
Hinweis: Vor Gericht muss der Erbe beweisen, dass tatsächlich ein Enterbungsgrund vorliegt.
Wie kann ich jemanden enterben?
Wenn man jemanden enterben möchte, muss man dies letztwillig, zB in einem Testament verfügen. In meinem Artikel Testamentsarten kann man nachlesen in welcher Form man letztwillig verfügen kann.
Folgen einer Enterbung
gesetzliche Erbfolge
Es kann sein, dass der Verfügende in seinem Testament lediglich erklärt hat, dass eine bestimmte Person enterbt wird, ohne festzulegen, wen er als Erben einsetzen möchte. Eine solche Verfügung nennt man negatives Testament. Bei einem negativen Testament kommt die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung, wobei die enterbte Person davon ausgenommen wird.
Die Nachkommen einer enterbten Person erben aber nur, wenn sie selbst gesetzliche Erben des Verstorbenen wären; somit nicht die Nachkommen des Ehegatten oder Adoptivkinder der enterbten Person.
Beispiel:
A ist mit B in zweiter Ehe verheiratet und hat zwei Kinder aus erster Ehe X und Y. Y war stets gegen die zweite Eheschließung und verhielt sich offen feindselig gegen B. Eines Tages kam es zu einem heftigen Streit, wobei Y die B schwer verletzte. Eine schwere Körperverletzung ist gemäß § 84 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht. Nach diesem Vorfall enterbt A den Y aufgrund des Angriffes auf B ohne weitere Verfügungen zu treffen. Da A keine Erben bestimmt hat, kommt bei seinem Tod die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung, wobei Y als enterbte Person ausgelassen wird. Demnach erhält B 1/3 und X 2/3.
Hinweis: Wenn Y Kinder hätte, würden diese an die Stelle des Y treten und dessen Erbteil zu gleichen Teilen erhalten (analog § 542 aF und 9 Ob 23/12s). Ergibt sich aber aus dem Testament des A, dass er auch die Kinder des Y vom Erbe ausschließen wollte, würden die Kinder des Y nur dessen Pflichtteil erhalten, weil bei ihnen kein Enterbungsgrund vorliegt (die Kinder haben B nicht angegriffen).
Wenn die Kinder des Y allerdings adoptiert wurden, erhalten sie weder einen Erb- noch einen Pflichtteil.
testamentarisch eingesetzte Erben
Wird in einem Testament neben einer Enterbung auch bestimmt, wer Erbe sein soll, so ist lediglich auf die Pflichtteile aller gesetzlichen Erben, die nicht enterbt wurden, bedacht zu nehmen
Beispiel:
A lebt mit B in einer Lebensgemeinschaft und hat zwei Kinder aus einer vorangehenden Beziehung, X und Y. Y war stets gegen die Beziehung zu B und verhielt sich offen feindselig gegen B. Eines Tages kam es zu einem heftigen Streit, wobei Y die B schwer verletzte. Eine schwere Körperverletzung ist gemäß § 84 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht. Nach diesem Vorfall enterbt A den Y aufgrund des Angriffes auf B und setzt B zur Alleinerbin ein. Im Todesfall des A wäre B nun Alleinerbin. A hat jedoch noch ein weiteres Kind X, welches im Testament nicht enterbt, jedoch übergangen wurde. X erhält aufgrund dieser Übergehung lediglich den Pflichtteil von 1/3. B muss X in dieser Höhe auszahlen.
Voraussetzung für eine Pflichtteilsminderung
Neben einer vollständigen Enterbung bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes besteht die Möglichkeit den Pflichtteil einer berechtigten Person auf die Hälfte herabzusetzen. Es ist empfehlenswert die Herabsetzung des Pflichtteils in einem Testament ausdrücklich festzuhalten.
Voraussetzung für eine solche Pflichtteilsminderung ist, dass der Verfügende und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit oder zumindest über einen längeren Zeitraum vor dem Tod des Verfügenden nicht in einem Naheverhältnis standen, wie es zwischen solchen Familienangehörigen gewöhnlich besteht.
Ein längerer Zeitraum wird in den Materialien zum Gesetz mit 20 Jahren angegeben. Unklar ist derzeit noch, ob auch ein kürzerer Zeitraum ausreicht. Die „Entfremdung“ muss bei Errichten der letztwilligen Verfügung jedenfalls bereits begonnen haben, der Zeitraum von 20 Jahren muss aber noch nicht verstrichen sein.
Ein familiäres Naheverhältnis basiert auf einer geistig-emotionalen Beziehung, die auf persönlichem Kontakt beruht und über eine gewisse Zeit Bestand hatte. Die Bewertung, ob ein solches Naheverhältnis vorliegt, hängt von individuellen Umständen ab, wie:
- Alter und Gesundheitszustand der Beteiligten
- Berufliche und räumliche Situation
- Regelmäßigkeit und Qualität des Kontakts
Beispiele für anerkannte familiäre Naheverhältnisse:
- Ehegatten, die trotz räumlicher Trennung aus beruflichen Gründen eine unverändert starke seelische und geistige Verbundenheit aufweisen.
- Geschiedene Elternteile, die regelmäßig Anteil am Leben ihrer Kinder nehmen, auch wenn sie nicht im selben Haushalt leben.
Die Rechtsprechung konkretisierte in dem Zusammenhang zuletzt Folgendes:
Hat der Erblasser (wie auch der erwachsene Pflichtteilsberechtigte) lediglich kein Kontaktinteresse, verhält er sich also bloß passiv und bemüht sich schlicht nicht um Kontakt – wobei weder er noch der Pflichtteilsberechtigte dem anderen Anlass bzw Grund für den fehlenden Kontakt gegeben haben –, stellt dies (noch) kein „Meiden“ des Kontakts iSd § 776 Abs 2 ABGB dar, das zum Ausschluss des Rechts auf Pflichtteilsminderung führt (vgl. RS0134105). Wenn lediglich kein Kontaktinteresse besteht kann der Pflichtteil daher zur Hälfte herabgesetzt werden.
Beispiel:
A ist in zweiter Ehe mit B verheiratet und hat eine Tochter. Aus erster Ehe hat A außerdem einen Sohn, zu dem er jedoch aufgrund einer frühen Trennung von seiner ersten Gattin nie Kontakt hatte. In seinem Testament verfügt er, dass der gesetzliche Pflichtteil seines Sohnes auf die Hälfte herabgesetzt wird.
Wenn Sie Fragen im Zusammenhang mit der Errichtung eines Testamentes oder der Berechnung Ihres Erb-/oder Pflichtteils haben oder mit Forderungen von pflichtteilsberechtigten Personen konfrontiert sind, vereinbaren Sie gerne einen Termin für ein Erstgespräch.
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